Er ist nicht nur Masken-, Kostüm- und Bühnenbildner, sondern auch Beleuchter und Regisseur in einer Person - zumindest auf dem Papier. Bei der Gestaltung von Theaterplakaten setzt der Berliner lllustrator und Grafiker Henning Wagenbreth das Repertoire von dramaturgischen Mitteln grafisch um und inszeniert das gesamte Schauspiel auf der Fläche - verdichtet zu einem einzigen Bild.
Er taucht seine skurrilen Figuren, die von George Grosz oder Otto Dix inspiriert sein könnten, in grelles Licht und stellt sie etwa vor kulissenhafte Häuserschluchten, die mit ihren übertrieben in die Tiefe fluchtenden Linien ins Wanken zu geraten scheinen und an expressionistische Bühnenaufbauten erinnern.
Aber auch aus der Requisitenkammer des Comics weiß Wagenbreth gezielt einige Bildelemente herauszugreifen und auf seinen Plakaten wirkungsvoll in Szene zu setzen.
Der 34jährige, der an der Kunsthochschule Berlin Weißensee studierte und zu DDR-Zeiten schon als freiberuflicher Grafik-Designer tätig war, hat bereits langjährige Erfahrung mit der Gestaltung von Theaterplakaten.
Er arbeitete zum Beispiel für das Schauspiel Bonn, für die Kammerspiele Bad Godesberg, für das Freie Tanztheater Berlin und für das Theaterhaus Jena. Letzteres zählt zu Wagenbreths liebsten Kunden.
»Die Arbeit für das Theaterhaus Jena hat vor allem deswegen Spaß gemacht, weil man mir dort viel Vertrauen schenkte und sehr viel Freiraum ließ. Wenn mein Plakat im weitesten Sinn noch etwas mit dem Stück zu tun hatte, dann war das Theater damit einverstanden«, erklärt er.
Seine Entwürfe vermitteln eher eine subjektive Interpretation des Schauspielstoffs, als daß sie auf die jeweilige Inszenierung Bezug nehmen - natürlich akzeptiert nicht jedes Theater derart viel Eigensinn.
Die lllustrationen fertigt Wagenbreth, der an der Kunsthochschule Berlin Weißensee einen Lehrauftrag für lllustration hatte und jetzt als Professor an der Hochschule der Künste Berlin im Fachbereich Visuelle Kommunikation arbeitet, noch immer großtenteils von Hand. Dabei verwendet er eine spezielle Tusche mit Graphitstaub, die er auf eine matte Folie aufträgt.
Irgendwann passierte dabei mal ein kleiner Unfall, und ich begann, die Farbschicht wieder abzukratzen. Dabei entdeckte ich, wie sich auf diese Weise wunderbare Holzschnitteffekte erzielen lassen. Seit einem Jahr nutzt er hier und da auch den Computer, vorwiegend um die Typo für Plakate und für Bücher zu gestalten, ansatzweise aber auch, um die Bilder noch nachträglich zu bearbeiten.
Bei den meisten Plakaten hat er die Farben selbst separiert und als Sonderfarben drucken lassen. »Auf diese Weise erhalten die Farben eine besondere Intensität. Das Separieren nimmt zwar sehr viel Zeit in Anspruch, das Reizvolle daran ist aber, daß der Druckprozeß voller Überraschungen steckt», erläutert Wagenbreth. »Jedes Plakat entsteht erst in der Druckmaschine und ist somit in gewissem Sinn ein Original.«
Page, 1998